Herbstgedanken - Doppeldeut

Vor einiger Zeit hatte ich eine Unterhaltung mit einer lieben Bekannten. Wir haben uns upgedatet, haben unsere beruflichen Situation besprochen, etliche Themen wurden angeschnitten.

Irgendwann im Laufe des Gesprächs meinte sie dann zu mir „ Du, ich finde es echt toll wie sehr du von vielen Themen Ahnung hast und du dir dazu eigene Gedanken und Überlegungen machst, aber ist das nicht zeitraubend und auch nervig?“ Ich habe sie nicht gleich verstanden und nachgefragt, sie meinte „ Schau, wenn ich heute etwas höre oder lese und nichts darüber weiß, dann bin ich mir ziemlich sicher, ich kann dich fragen – außer es handelt sich um Urlaube, Restaurantempfehlungen, Kosmetik oder andere schöne Dinge, da hast du wenig Ahnung.“

Ehrlicherweise hat sie es freundlicher umschrieben, aber im Grunde hat sie genau das gemeint. Seitdem trage ich diese Aussage mit mir – sie wälzt von A nach B in meinem Kopf.

Parallel dazu ist mir gerade in den letzten Wochen aufgefallen, wie viel Halbwahrheiten im Umlauf sind und viele Geschwafel die Menschen glauben – ohne zu hinterfragen, ohne selbst darüber nachzudenken, ohne andere Ansichten gelten zu lassen. Und das zipft mich so unsäglich an, aber ich will auch nicht mehr diskutieren – ich will das Pro eines E-Autos nicht erklären, ich will nicht erläutern dass das Auftanken desselbigen auch jetzt bei Strompreiserhöhungen,  nur auf Schnellladern nicht teurer als die Verbrennungskraftstoffe ist, weil es meines Wissens keine E-Autofahrer:innen gibt, die regelmäßig an Schnellladesäulen tanken und keine Kartenverträge abgeschlossen haben usw.

 

Ich will auch nicht über das Pensionsantrittsalter von Frauen diskutieren und hinweisen, dass es nicht funktionieren wird, in Vereinbarungen mit Erwerbstätigen einzugreifen, die in 5-15 Jahren in Pension gehen könnten. Oder erklären müssen, warum die Vorlaufzeit für die Anpassung insgesamt mit stufenweiser Angleichung „zufällig“ 40 Jahre dauert. Gleichzeitig aber Arbeitnehmer:innen ab 45+ am Arbeitsmarkt es unheimlich schwer haben, wieder Fuß zu fassen ohne sich deutlich unter Wert verkaufen zu müssen.

 

Oder das quiet quitting nicht mit innerer Kündigung gleichzusetzen ist. Und über so viele andere politische Themen ganz zu schweigen.

 

Und was ich überhaupt nicht mehr kann ist, mir von  Menschen die mir soziales Engagement vorgaukeln wollen, erklären zu lassen warum sie

a) keine Zeit haben selbst mitzuhelfen

b) sie auch keine finanziellen Spenden übrig haben, nicht mal den Klimabonus.

Soll so sein aber ich will es nicht mehr hören. Nicht mehr hören weil ich darüber nicht mehr nachdenken möchte.

Und jetzt bringe ich die 2 Punkte zusammen. Mache ich mir zu viele Gedanken über Dinge die ich nicht ändern kann, die mich negativ beeinflussen, die zeitraubend sind und deren Zeit  ich verstärkt in die schönen Dinge des Lebens stecken sollte? Ist das die Einstellung des Gros der Menschen?

 

Macht das zufriedener, glücklicher, ausgeglichener ? Und warum stelle ich mir gerade jetzt dieser Tage diese Frage?

Das Letztere kann ich beantworten – so glaube ich. Ich stehe in wenigen Tagen zum ersten Mal in meinem Leben vor einem neuen Lebensabschnitt, in welchem das Thema Beruf und arbeiten deutlich in den Hintergrund rückt. Zumindest das fremdgesteuerte Arbeiten für den Lebenserhalt.

 

Ich liebe meinen Job – er hat wenige Teile die ich nicht mag. Aber es ist mir aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich, in dieser Form weiterzuarbeiten. Ich denke diese Entscheidung ist die Richtige, ich muss mal auf meine Gesundheit achten und der Beruf hat mich zu lange zu stark beherrscht. Aber es macht mir auch Angst. Scheinbar habe ich auch Sorge, dass ich mich in der Freizeit zu sehr mit ernsten Dingen beschäftige. Ich habe zwar meinen Sport und 2 Weiterbildungen stehen schon auf der TO-DO, aber es ist eigenartig. Es hat kein Enddatum bzw. nur ein weiteres Datum mit überhaupt keiner beruflichen Verantwortung mehr.

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