
In den ersten Monaten nach Hans' Tod habe ich bei ausgewählten Freunden und Bekannten leise angemerkt, wie einsam ich mich fühle. Oft wurde mir dann geraten, ich könne mir doch ein Hobby suchen oder mehr unter Menschen gehen. Damals konnte ich meine Gefühle nicht so ausdrücken, dass ich wirklich verstanden wurde. Wahrscheinlich war mir selbst die Unterscheidung zwischen "allein" und "einsam" nicht bewusst. Vielleicht habe ich es auch so formuliert: "Ich bin viel allein."
Mittlerweile befinde ich mich im dritten Jahr ohne Hans und hatte genügend Zeit, mir über diese Gefühle Gedanken zu machen. Ich war weiterhin oft allein und habe es nicht immer geschafft, mich für neue Aktivitäten aufzuraffen. Seit ich mich zurückerinnern kann, habe ich meine Scheu vor Neuem und meine Zurückhaltung fremden Menschen gegenüber als Makel betrachtet. Es fiel mir nie leicht, auf Menschen zuzugehen, mich in Gruppen einzufügen oder mir keine Gedanken darüber zu machen, ob ich überhaupt dazugehöre. Diese Eigenschaften verstärken mein Alleinsein, sind aber kein Indiz für Einsamkeit.
Ich bin nun auf eine Unterscheidung gestoßen, die mir beim Verstehen geholfen hat:
Allein:
- Objektiv: Es beschreibt einen Zustand, in dem man sich ohne die Gesellschaft anderer Menschen befindet. Es ist eine neutrale Beschreibung und sagt nichts über das emotionale Empfinden aus.
Einsam:
- Subjektiv: Einsam beschreibt ein Gefühl der Isolation oder des Mangels an sozialer Verbindung, auch wenn man nicht unbedingt allein ist.
Durch das Auseinandersetzen mit meiner Gefühlswelt habe ich viel über mich gelernt. Ich kann gut und gerne allein sein. Ich finde immer eine Beschäftigung, sei es durch Arbeit, Sport, Spaziergänge oder das Recherchieren und Nachdenken.
Gerade in den letzten beiden Jahren habe ich mehrmals meine Menschenscheu überwunden und Aktivitäten ausprobiert, die ich zuvor nie gewagt hätte – oft solche, die Interaktionen mit fremden Menschen erforderten. Einiges davon hat mir Spaß gemacht, manches war ein Versuch, um nun sicher zu wissen: "Das ist nichts für mich."
Doch gegen Einsamkeit hilft das nur bedingt. Ich habe einige wenige, wirklich tolle Menschen in meinem Leben, bei denen ich mich verstanden, akzeptiert und geschätzt fühle. Aber der eine Mensch, mit dem mich ein unsichtbares Band tiefster Verbundenheit verknüpfte, der immer für mich da war und für den ich immer da sein konnte, der fehlt. Dieses Gefühl, vollständig zu einer Gemeinschaft zu gehören, bleibt unersetzlich.
Durch das Aufdröseln meiner Gefühle und Gedanken habe ich jedoch erkannt, dass ich ein kleines, feines Netzwerk von Menschen um mich habe. Es ist kein Ersatz für das, was ich mit Hans hatte, aber es ist wertvoll und gibt mir Halt. Ich schätze diese Erkenntnis, denn sie zeigt mir, dass ich nicht allein durchs Leben gehen muss.
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