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Allgemeinheit  ·  23. Juli 2025

Nicht jede Hilfe hilft - Vom Mut, Nein zu sagen

Während der letzten zweieinhalb Jahre war ich gezwungen, vieles allein zu stemmen, vieles zu hinterfragen, mich und mein Leben neu zu ordnen.


In den ersten Wochen und Monaten nach Hans’ Tod habe ich Unmengen an Bürokratischem erledigt und mich mit Themen auseinandergesetzt, die mir vollkommen fremd waren.
Die meisten Dinge davon habe ich allein gemacht. Ich hatte keine Ahnung, wie man ein Begräbnis ausrichtet, eine Verlassenschaft abwickelt, Bienen pflegt, wie unsere EDV zu Hause funktioniert oder wie man ein Baustellengrundstück in Schuss bringt und zum Verkauf anbietet. Und dann war da noch: „How To – Einreichung der Witwenpension“.

 

 

In den letzten Tagen habe ich über diese Zeit reflektiert. Jetzt, mit etwas Abstand, kann ich sehr stolz auf mich sein. Ich habe mich durch das erste Trauerjahr gefräst – begleitet von einem Dauerärztemarathon. Wenn ich all die Termine und Aufgaben Revue passieren lasse, frage ich mich, wie ich das überhaupt geschafft habe.

 

 

Erst danach begann die eigentliche Trauerarbeit. Ich war schon am Tag eins nach Hans’ Tod am Boden zerstört, aber die Zeit, um wirklich zu trauern – um alles bis ganz tief in mein Herz zu lassen –, kam erst viel später. Erst als der administrative Wahnsinn langsam nachließ.

 

 

Durch viele und lange Gespräche mit einer lieben Freundin bekam ich immer wieder neue Anstöße, meine Haltung zu meinem Umfeld zu hinterfragen. Anfangs war ich von vielen Menschen sehr enttäuscht. Hans und ich führten ein eher zurückgezogenes Leben, aber ich dachte, dass mir wenigstens dieser kleine Kreis bleiben würde. Das stellte sich schnell als Fehleinschätzung heraus.


Aus den unterschiedlichsten Gründen – manche kenne ich bis heute nicht – haben sich viele aus Familie, Freundeskreis und Bekanntenkreis „verloren“. Nicht alle, aber die meisten.
Das hat mich lange beschäftigt und sehr tief getroffen.

 

 

Schon im ersten Trauerjahr habe ich – ich, die sich so schwer damit tut, um Hilfe zu bitten – mich manchmal gefühlt, als müsste ich mich regelrecht erniedrigen, nur um Teil einer Gruppe zu sein.
Ein simples „Darf ich mit zum Mittagessen kommen?“ fühlte sich für mich an, als wäre ich ein Hund, der mit aller Kraft versucht, die Zuneigung seines Herrchens zu bekommen.
Und wenn ich beim nächsten Mal nicht automatisch wieder eingeladen wurde, versuchte ich erneut, mich irgendwie ins Spiel zu bringen.

 

 

Ich habe Familienmitglieder angerufen, mit denen ich vor Hans’ Tod kaum Gemeinsamkeiten hatte – einfach nur in der Hoffnung, mit ihnen gemeinsam um Hans trauern zu können. Aber das blieb einseitig.
Nachdem von ihrer Seite so gar nichts zurückkam, habe ich es nach einigen Monaten aufgegeben.

 

 

Erst jetzt – mit weiterem Abstand – kann ich ohne Groll darüber schreiben: Ich war nie wirklich Teil dieser Gemeinschaft. Und, was für mich fast noch wichtiger ist: Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, wollte ich das auch gar nicht sein.
Ich wollte schlicht meine Einsamkeit durchbrechen. Ich wollte Hans in Gesprächen weiterleben lassen.

 

 

Aus dieser Erkenntnis heraus habe ich mir eine Frage gestellt, die mich bis heute begleitet:
Müssen trauernde und einsame Menschen jede Hilfe annehmen, die man ihnen anbietet?

 

 

In den ersten Wochen nach Hans’ Tod glaubte ich das. Ich war wie gefangen in der Vorstellung, jede angebotene Hilfe annehmen zu müssen – egal, wie unpassend sie sich für mich anfühlte.
Ich habe mich gewunden wie ein Aal, wenn mir jemand Hilfe anbot, die mir einen Knoten in den Magen legte, weil sie so gar nicht zu mir passte.

 

Aber in Worte fassen konnte ich das damals nicht. Ich wusste nur tief in mir drinnen, dass ich XYZ gerade nicht will – oder nicht in der Lage war, es zu tun.

 

 

Ein Beispiel:

Es war mir nicht möglich, jemanden mit dem Auto abzuholen und aufs Grundstück zu fahren.
Ich war schon vor der Trauerzeit kaum noch gefahren – ich mag das Auto schlichtweg nicht. Ich habe es für Hans gekauft, bin gefahren, wenn er müde war. Aber die Autofahrmaus werde ich wohl nicht mehr – oder vielleicht doch, ich habe ja schon so viel geschafft.

 

Das ist eine ganz persönliche Offenbarung, weil ich mich lange dafür geniert habe, dass ich nicht gern allein Auto fahre.


Mit Hans als Beifahrer – kein Problem. Aber allein? Nur wenn es wirklich sein muss.
Ich habe das damals auch vorsichtig gesagt – trotzdem war das Hilfsangebot so gestaltet, dass ich hätte fahren müssen.

 

 

Bis vor einiger Zeit hätte ich noch gefragt:
Ist ein Hilfsangebot überhaupt ein echtes Angebot, wenn ich es bekanntermaßen nicht umsetzen kann?

 

 

Heute frage ich etwas anderes:
Muss ich jede Hilfe annehmen? Gegen die Einsamkeit? Gegen die Trauer? Muss ich???

 

Diese Frage habe ich auch mit meiner Freundin besprochen. In diesem Gespräch – das ursprünglich in eine ganz andere Richtung ging – brachte sie selbst einen Vergleich ein, den ich als sehr treffend empfinde:

 

 

Muss ein Obdachloser jede Hilfe annehmen?
Wenn man ihm eine halb gegessene Semmel vor die Füße wirft – muss er sie nehmen?
Vielleicht nimmt er mehr an, wenn er ganz unten ist.
Aber auch dann hat er noch die Wahl.

 

Ich weiß, das ist überspitzt – aber ich finde keinen besseren Vergleich.


Ja, ich bin auch heute noch oft allein. Und manchmal fühle ich mich einsam.
Aber ich muss nicht jedes noch so absurde oder unpassende Angebot annehmen.

 

 

Ein weiteres Beispiel:
Etwas über ein Jahr nach Hans’ Tod kontaktierte mich ein Mann, den ich von früher als Kollegen kannte.
Er machte mir ein partnerschaftliches Angebot.
Mein Bauch und mein Herz wussten sofort: Nett – aber da ist nichts.
Aber mein Kopf fragte: „Darf ich das überhaupt ablehnen? Wer weiß, ob ich je wieder eine Chance bekomme?“

 

 

JA, ich darf.
Ich darf Hilfe ablehnen.
Ich darf Angebote ablehnen.
Auch, wenn ich trauere. Auch, wenn ich allein bin.
Auch, wenn andere das vielleicht als undankbar oder „selbst schuld“ sehen.

 

Denn:
Man darf auch Almosen ablehnen, wenn man sie nicht braucht.

 

 

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